Samstag, 24. Januar 2009
 
Keine Alibi-Aischa PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Ralf Leonhard   
Dienstag, 9. September 2008

Sie ist von ihrer Erscheinung nicht das Feindbild der rechten Ausländerhasser. Alev Korun, die mehr als die Hälfte ihres 39jährigen Lebens in Österreich verbracht hat, trägt elegante westliche Kleidung und kein Kopftuch. Sie hat, anders als die meisten anderen türkischen Einwanderer, einen akademischen Abschluß und spricht akzentfrei Deutsch.


Foto: R. Leonhard


Trotzdem steht die derzeitige Wiener Stadträtin, die am Sonntag von den Grünen auf einen sicheren Listenplatz für die bevorstehende Nationalratswahl gewählt wurde, für eine kleine Revolution. Als erste Immigrantin wird sie im österreichischen Parlament sitzen und sich dort vor allem für Verbesserungen in den Bereichen Migration und Integration stark machen. „Ich habe sicher nicht vor, eine Alibi-Aischa zu sein und überall als Migrantin anzutanzen“. Deswegen hat sie schon eine Liste aufgestellt, die abzuarbeiten ist. Skandalös sei zum Beispiel, dass ein Drittel der Menschen, die in Österreich eingebürgert werden, bereits hier geboren wurden. Korun setzt sich dafür ein, dass in Österreich geborene Kinder dann automatisch die Staatsbürgerschaft bekommen, wenn zumindest ein Elternteil seit mindestens acht Jahren legal im Lande lebt. Das vor zwei Jahren verschärfte Fremdenrecht, das auch Einbürgerungen erschwert, findet sie integrationsfeindlich und absurd.

Die in Ankara geborene Türkin, die in Istanbul aufwuchs, absolvierte dort das St. Georgs Kolleg, die österreichische Schule, weil ihre Eltern der Meinung waren, sie sollte Fremdsprachen gut beherrschen. Vor die Wahl gestellt, mittels Stipendium in Wien, Salzburg oder Innsbruck zu studieren, entschied sich die damals 19Jährige auf Anraten einer Lehrerin für die Tiroler Landeshauptstadt: „Sie meinte, in einer kleinen Stadt sei das Klima familiärer“. Den Abschluß in Politikwissenschaften und Gender-Studies machte sie aber dann in Wien, wo sie sich auch bald politisch zu engagieren begann. Als Referentin für Migration/Integration im Grünen Klub lernte sie bei Menschenrechtssprecherin Terezija Stoisits das politische Geschäft.

2005 zog Alev Korun in den Wiener Stadtrat ein. Letzten Sonntag setzte sie sich auf dem Grünen Bundeskongress gegen eine aus Kamerun stammende Feministin durch. Daß in Österreich rund 150.000 Menschen türkischer Herkunft wahlberechtigt sind, mag bei der relativ knappen Entscheidung eine Rolle gespielt haben. Die Politikerin, die mit Türken, Kurden und Armeniern gleich gute Kontakte pflegt, genießt den Respekt auch der religiösen und traditionell lebenden Landsleute in Österreich: „Ich wurde noch nie darauf angesprochen, dass ich kein Kopftuch trage“. Ob ihre Kandidatur den Grünen zusätzliche Stimmen bringen wird, weiß sie nicht: „Aber sehr viele sind stolz, dass eine, die auch eingewandert ist, auf dem politischen Parkett aufzutreten wagt“.

Alev Korun ist Mutter der fünf Wochen alten Rana.


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